Vor NewQuay warnten mich einige Einheimische aus dem walisischen Landesinneren.
Zu schick, zu laut, zu modern, zu voll, zu touristisch.
Selbstverständlich fahre ich hin.
Ja, es ist voll. Es ist ein Samstag. Es ist ein warmer Samstag. Es ist ein warmer Samstag in den Ferien. Erfolglos versuche ich meinen Kombi in eine zu kleine Parklücke zu zwängen, die ich in einer besonders steilen, besonders engen Straße entdeckt habe. Schweißgebadet finde ich mich dann Minuten später auf einem anderen Parkplatz wieder, oberhalb der Stadt.
Ich stelle das Auto in die Sonne und mache mich zu Fuß auf den Weg hinunter zum Ufer.
NewQuay klebt am Berg wie eine überreife Traube. Bunte Häuser stufenförmig aneinander gequetscht tasten sich vorsichtig die schmalen, steilen Straßen hinab. Vom Strand gesehen erinnert NewQuay eher an eine Kleckerburg als an eine Traube. Oberhalb der bunten Häuser, direkt über den Dächern leuchten die grünen Schafweiden, bis zu den Hügelspitzen weiß besprenkelt mit blökendem Vieh.
Der Ort selbst ist geprägt von Läden, die Schwimmhilfen verkaufen, Ansichtskarten und irgendwas in Muschelform. Und natürlich Keltenschnickschnack.
Ich kauf mir ein Eis und kleckere weiter bergab.
Am Strand ziehe ich mir die Schuhe aus. Im Gegensatz zu so manchem Strand, der mir bisher die Sohlen ruinierte, stampfen meine Füße hier vertrauensvoll in den feuchten weichen Sand. Das Wasser ist gerade auf dem Weg zum Meer. Die Ebbe schafft Platz, den die zahlreichen Briten gewillt sind auszufüllen.
Ein wettergegerbter Berserker mit wildem roten Bart und undurchdringbarem Brusthaardschungel sitzt im Sand und strickt. Es wird ein Pullover mit Zopfmuster, erklärt er auf meine neugierigen Blicke hin.
Er sei Fischer, erzählt er mir freundlich und bald gehe es wieder zu den Shetlands hoch, wo der Wind wohnt. Er erhole sich hier nach einer Krankheit und, weil ein Freund Wales empfahl, da hier der Regen etwas wärmer sei, als sonst auf der Insel.
Ich laufe ein ganzes Stück unterhalb der Klippen entlang, die den Bogen, den die Cardigan-Bay hier macht, säumen. An einer gänzlich leeren Stelle, an der sich nur eine Betonplatte sonnt, reiße ich mir die Kleider vom Leib, schütze meinen Unterleib vor den fernglasigen Augen der Strandwache mit einer viel zu engen Badehose und stürze mich todesverachtend in die Fluten.
Nach hundert Metern bemerke ich, das meine Knöchel zu frieren beginnen. Das Wasser ist das, was man gemeinhin als arschkalt bezeichnet. Doch ich bin schließlich einer von diesen Kerlen, sie wissen schon, diesen Clint Eastwoods und Harrison Fords. Ich verenge kurz entschlossen meine Augen zu messerscharfen Schlitzen und wandere weiter.
Ca. 800 Seemeilen weiter westlich kann ich endlich schwimmen. Ich verscheuche ein paar lästige Pinguine und beschließe mich auf den Rückweg zu meinen Sachen zu machen. Gott sei Dank ist Ebbe und der Strand kommt mir entgegen. Ich wechsle die Hosen und betrachte mein persönliches Thermometer. Ziemlich kalt, doch lange war ich nicht im Wasser, denke ich und halte mich plötzlich nicht mehr für Clint Eastwood, eher für DannyDeVito. Doch immerhin habe ich in der Irischen See gebadet.
Mittlerweile bin ich nicht mehr allein mit der Betonplatte. Neben meiner Hose hat sich eine Drachennase aus Plaste in den Sand gebohrt. Das dazugehörige Kind schmeißt mit Tang nach seiner Schwester und eine rotgesichtige Engländerin mit einer Sprite-Büchse in der Hand versucht fluchend, schimpfend, schreiend um sich schlagend, vor einer naschsüchtigen Wespe zu fliehen. Ich empfehle ihr die Dose zu Opfern. Was für eine Verschwendung, sagt sie ablehnend und hopst noch eine Weile den Strand entlang.
Ich mache mich auf den Rückweg in das innerwalisische Dorf, das mich beherbergt. Abends sitze ich im Pub mit den Einheimischen und versuche ihnen zu erklären, warum ich NewQuay eigentlich ganz nett fand. Ich weiß es selbst nicht genau, aber es bleibt mir trotzdem in angenehmer Erinnerung. Vielleicht weil es nicht geregnet hat.