Trotz fortführender Studien, ist es mir bisher nicht gelungen einen Schlager Caterina Valentes zu finden, der die Schönheit des Gardasees würdigt. Vielleicht war sie nicht so oft in diesem gerade für Deutsche so beliebten Urlaubsparadies in Norditalien. Andere besangen das wildromantische Bergland mit dem riesigen See, aber deren Namen will ich hier gar nicht anfangen zu erwähnen. Ich würde mich zwar ohne Widerworte als Spießer auf Reisen bezeichnen, aber einen gewissen Stolz hab selbst ich.
Der Gardasee ist Zwischenstopp auf der Reise nach Süditalien. Hier hielten wir bereits vor Jahren für eine Nacht, als wir noch keine Ahnung hatten, dass es hier so schön ist. Damals fuhren wir auf der Autostrada Richtung Süden, um mit Kind und Kegel die Toscana zu besuchen. Ein Motel an der Autobahn hätte uns genügt. An einer Tankstelle verriet uns eine Angestellte, dass es kein Motel in der Nähe gebe, aber wenn wir hier abbögen und nach Arco führen, fände sich da schon was. Wir fuhren nach Arco, einem Ort oberhalb des Gardasee und einige Kilometer vor dem Ort tat sich das Tal des Gardasees auf, bei dessem Anblick wir außer “Aah, wie schön” nicht mehr viel mehr herausbrachten. Gigantisch diese Berghänge und der große klare See. Keine 11 Jahre später reicht uns dieser See wieder als Zwischenstation.
Diesmal fahren wir ein ganzes Stück an der Westküste hinab bis nach Toscolano Maderno, ein Ort der alt und authentisch wirken will und dem es im Gegensatz zu Riva del Garda auch gelingt. Riva ist die Hochburg des Touristen-Schnick-Schnacks am See. Toscolano dagegen ist bis zu einem gewissen Punkt zurückhaltender. Die Gassen, die die Berge hinauf führen, besitzen einen italienischen Charme, der altmodisch wirkt. Ich finde das angenehm. Die Häuser sind gepflegt, die Straßen sauber.
Das Hotel, das ich ausgesucht habe, befindet sich etwas oberhalb der Hauptstraße. Ein Gewirr aus Einbahnstraßen führt uns mehr als einmal weit daran vorbei. Schließlich finden wir eine gemauerte Einfahrt mit schmiedeeisernem Tor. Ein gesicherter Parkplatz mit Orleanderbäumen lädt das Auto ein, eine Nacht unter Bäumen zu träumen. Der Pool ist geräumig und schimmert blau mit schwarzen Punkten. Ein paar Junikäfer haben den Freitod im Freibad gesucht.
Das Hotel ist verwinkelt, mehrstöckig und mit kühlen Terrazzoböden belegt. Großzügige Terrassen vor den Balkontüren präsentieren einen weitläufigen Blick über den See.
Die Empfangsdame spricht nur italienisch. Ich rücke mit den beiden wichtigsten Sätzen raus, die ich in drei Monaten Babbel gelernt und sogar behalten habe. Nämlich: “ich habe ein Zimmer reserviert” und “ich spreche kein Italienisch.” Sie honoriert das mit einem Lächeln und zügigen unverständlichen Erklärungen zu den Hotelsatzungen. “Grazie” sage ich so oft, wie ich es für erforderlich halte.
Später spazieren meine Herzdame und ich noch ein bisschen am Wasser entlang. Vor der Kirche findet irgend ein Event statt, das Polizia und Rettungskräfte erforderlich machen. Kurz dahinter befindet sich ein Eisladen, den wir interessanter finden. Das Eis ist wirklich köstlich und der Einkauf ist auch nicht so schwer. Wir suchen uns den Begriff für Kugel, Sorte und Waffel und die Verkäuferin versorgt uns im akzentuiertem Englisch mit dem Rest.
Der Gardasee ist ein Paradies für jede Altersgruppe. Familien mit Kindern spazieren hier herum und leben relativ preiswert auf dem Campingplatz am Wasser. Ältere Herrschaften flanieren den Uferstreifen herunter oder düsen mit Elektrorad von einem Ende zum anderen. Sportliche Menschen Joggen oder Rennradeln über den Radweg. Und auch für Hundebesitzer ist hier viel Freiraum. Selbst in den Restaurants können Leute mit Hund darauf setzen, dass es lecker frisches Wasser für die zum Teil kalbsgroßen Bellfelle gibt.
Wir nehmen in einem Terrassenrestaurant am Segelhafen Platz. Rings um uns spricht man Deutsch. Hinter mir sitzt ein Mann mit einem pflegeintensiven Spitzbart. Rechts neben uns platzieren sich zwei Blondinen, die Mutter und Tochter sein können. Dazu kommen später zwei stattliche Herren. Einer mit dunkel gefärbtem Toupet und ein junger Bursche von vielleicht 25 Jahren, zwei Meter groß und zwei Meter dick. Der gehört wohl zur jüngeren der beiden weiblichen Begleiterinnen, die selbst höchsten 168 groß ist und bestenfalls ein knappes Viertel des Riesenbabies ausmacht. Sie wischt ihm ein bisschen durchs verschwitzte Haar. Er zeigt ihr ein paar Videos auf dem Taschentelefon. Das Gespräch dreht sich darum, dass es besser ist, für die Pferdesachen eine eigene Pferdewaschmaschine zu nutzen. Das Leiden der Pferde in der Waschmaschine, verdränge ich mit der Ankunft der Pizza.
Sechs Kellnerinnen und eine Bardame schickt das Restaurant Abends ins Rennen. Eine der Damen ist etwas älter und ich halte sie für die Chefin, bis eine junge gertenschlanke Frau ihr einmal klar sagt, was sie zu tun hat. Alle versuchen die zögerlichen Italienischversuche bei der Essenbestellung zu ignorieren und reagieren gleich auf Deutsch. Der Einfluss des deutschen Touristen ist seit den Fünfziger Jahren so groß, dass sie hier in einer Gegend, die sich ohnehin zu Südtirol hingezogen fühlt, ihre italienische Kultur ein bisschen mehr hintenan stellen, als es gut tut. Der Norden des Sees gehört offiziell zu Trentino.
Das Gebiet ist also fest in Deutscher Hand und ich befürchte, die Einwohner haben ein deutliches Bild vom hässlichen Deutschen, zu dem ich mich, wenn ich das Publikum um mich herum betrachte, letztlich auch zählen muss.
Von der Dachterrasse aus, können wir noch eine Weile das Gewitter sehen, dass weit entfernt hinter dem See die Region um Moderna heimsucht und den Himmel färbt. Die Lichter der Orte an den Hängen rund um den See beginnen in der feuchten Abendluft zu flackern.
Nachts beginnt es zu regnen und morgens ist das gegenüberliegende Ufer nicht zu erkennen. Der Orleander hat seine Blüten verloren und über unser Auto verstreut. Das sieht jetzt aus, als würde es heute heiraten wollen. Nun, es ist gerade 18 Jahre geworden, da kann es ja selbst entscheiden.
Am Gardasee
