"Ach das Meer. So Blau. So Tief. So voller Fische"
------------Kevin Kline in "French Kiss!
Cassis - Himmelfahrt am Mittelmeer
Wenn man von Aix en Provence kommend, die Autobahn bei Carnoux verlässt, erreicht einem schon diese Atmosphäre, wie sie nur Orte in Küstennähe aufweisen. Der Himmel ist blauer und die Luft atmet sich besser weg. Kaum lässt man den lebendigen Ort mit Markt und Radrennveranstaltung hinter sich, überquert den nächsten Berg, sieht man Cassis unter sich auftauchen und dahinter erblickt man dieses unvergleichliche Blau. Unwillkürlich drängen sich die Zeilen des Charles Trenet Chansons ins Ohr:
“La mer
lala lala lala des golfes clairs
da dada die dada, la mer,
und so weiter. La La".
Cassis, die verspielte kleine Schwester des robusten Hafenganoven Marseille liegt malerisch an einer versteckten Bucht mit hohen Felsen, von der Großstadt nur durch einen schmalen aber massiven Gebirgszug getrennt. Gerade mal 10 Kilometer Bergmassive und träumerische Badebuchten, die Calanques, machen den Unterschied zwischen Moloch und Idylle.
Cassis ist nicht träge, im Gegenteil. Es ist überaus lebendig, besonders am Himmelfahrtstag, an dem wir morgens gegen 11 Uhr den Badeort erreichen. Halb Frankreich, zumindest die halbe südfranzösische Bevölkerung ist unterwegs, um einen ruhigen Tag am Meer zu feiern. Himmelfahrt, das ist hierzulande ein Tag für die Familie. Bierselige Männergruppen findet man hier nur in Ausnahmefällen. Stattdessen fallen ganze Großfamilien an den Stränden ein, um ein bisschen Sonne und Ferienstimmung zu genießen. So sammeln sich genügend Autos, die am großen Parkplatz neben einer der sonnigen Badebuchten, der Bestouanbucht direkt an der einzigen Zufahrtsstraße zur Halbinsel Presqu’ile, Schlange stehen. Wartend darauf, einen der raren, wieder frei werdenden Parkplätze zu erwischen. Die ohnehin nur schwer auszumachende Zufahrt zu unserem kleinen Hotel, dem Jadin d’Emile, das wir bereits Monate zuvor gebucht hatten, wird zu dem von einem Lieferwagen für Frischfisch blockiert, so dass ich selbstverständlich an dieser Zufahrt vorbeifahre, ohne sie zu erkennen. Ein kleines Einbahnstraßenlabyrinth bergauf und bergab über die Halbinsel folgt und schließlich wage ich doch einen Blick auf mein Taschennavi, das ich kaum für sonderlich vertrauenswürdig halte, solange jemand in der Lage ist lesbare Karten zu zeichnen.
Wenige Minuten später fahre ich durch ein hohes Eisentor, über dem in grünen, alten Lettern das Wort Restaurant prangt. Das Hotel “Jardin d’Emile”, ein kleines apartes Gebäude mit stilvoll gestalteten Balkonen, leuchtet in einem satten Terrakottarot. Aus der Tür kommt eine junge geschäftige Frau geflitzt, die uns zum Anhalten zwingt und fragt, ob wir reserviert haben. Die Frage ist angesichts der Parkplatznot im Ort berechtigt und sie möchte verhindern, dass sich Badegäste zum Spaß auf den kleinen Privatparkplatz stellen. Glücklicherweise können wir eine Reservierung vorweisen und sie scheint ebenso glücklich darüber ein konfliktreiches Gespräch vermeiden zu können.
Wir sind ein bisschen früh, aber das stört die rührige Rezeptionistin nicht, die uns alles erklärt, was wir wissen müssen, auch wenn wir nur ein Drittel davon verstehen, was sie aufsagt. Wir können einchecken, das Zimmer ist nur noch nicht bereit und erst ab Nachmittag zu beziehen. Das ist aber ok, da wir ohnehin einen Spaziergang zu den Calanques geplant hatten.
Nachdem wir uns sinnigerweise an diesem heißen Tag in die Wanderschuhe zwängen und an der vor dem Hotel befindlichen Bar eine große Flasche Wasser einsacken, erfreuen wir uns kurz an der blauen Farbe des vor uns herumschwappenden Mittelmeers.
Dann laufen wir los.