"Ärzte können ihre Fehler begraben, aber ein Architekt kann seinen Kunden nur raten, Efeu zu pflanzen."
------------George Sands
Juni 2019
Wir verlassen den Süden, lassen den Luberon mit einem Bedauern hinter uns. Die Autobahn führt uns an Orange vorbei. Rechterhand müsste der Mont Ventoux in den Himmel ragen, was er sicher auch hinter der Wolkendecke tut. Leider kann ich mich nicht mit sehnsüchtigem Blick von ihm verabschieden. Nur konstantes Grau legt sich über die Landschaft. Links ziehen sich die Weinfelder der Domain Chateauneuf du Pape entlang. Es ist in guten Jahren einer der Spitzenweine Frankreichs und das schon seit Jahrhunderten. Erstaunlich, dass dieser edle Tropfen so unbeeindruckt von der Nähe des fließenden Autoverkehrs auf der Route du Sud gedeiht. Nach wenigen Minuten verschwinden jedoch auch die Weinstöcke aus der Aussicht und es geht weiter nach Norden. Die Strecke ist manchmal abwechslungsreich, manchmal langweilig und zwischendurch sogar recht aufregend. Die langen Autobahnabschnitte, die wir zwischen den verschiedenen Mautstationen durchqueren, lassen sich mit einer fast konstanten Geschwindigkeit von 130 km/h durchqueren. Geschwindigkeitsbegrenzung bedeutet nicht zwangsläufig gebremstes Vorwärtskommen. Es sei denn, eine Großstadt versperrt einen den Weg. Wir müssen durch Lyon und es ist Rushhour. Ist es eigentlich immer, wenn wir an der Rhone entlang durch diese von der Straße aus gesehen ziemlich hässliche Stadt fahren. Doch, im allgemeinen Stopp and Go erblicke ich die Silhouette der Altstadt. Über deren farbenfrohen Häuserfassaden, die vom Fluss widergespiegelt werden, stechen hell leuchtend die Türme einer Kathedrale in den sommerblauen Himmel. Dieser kurze Augenblick versöhnt mich mit der Stunde, die ich mich mit dem Durschlängeln von Tunneln und Autobahnkreuzen plage, bis schließlich die spürbaren Verkehrsauswirkungen dieser riesigen Stadt im Herzen des Landes abebben. Eine Weile bleibt die Strecke noch eben und abwechslungsarm. Dann verlassen wir die Autobahn und wenden uns Richtung Vogesen, wo uns im südlichen Teil dieses hübschen Landesteils für zwei Tage eine Unterkunft in einem Herrenhaus erwartet.
Den Vorinformationen zufolge ist das Haus ein bisschen Chic.
Mehr über zwei Tage in den südlichen Vogesen lesen Sie hier:
Herrenhaus
Ronchamp
1. Frühstück
Milles Etangs
Die Wallfahrtskirche von Ronchamp
Nachmittag im Herrenhaus
Abendessen in der Pizzeria
Der letzte Morgen
Das Herrenhaus
Das Chateau de la Houillère befindet sich in Ronchamp, einem überraschend piefigen Ort nahe einer fast schon exotischen Landschaft voller Seen, die sich in den Höhenzügen und im Wald des südlichen Vogesenvorlandes verstecken. Plateau les Milles Etangs heißt das Gebiet. Andere nennen es wegen der unzähligen Weiher, Tümpel und Teiche auch Petit Finlande. Doch obwohl dieses reizvolle Stückchen Erde ein Paradies für Wanderer und Radfahrer zu sein scheint, merkt man in Ronchamp kaum etwas von touristisch engagiertem Geschäftssinn. Und das ist um so erstaunlicher, als sich für uns überraschend herausstellt, das Ronchamp ein Mekka der Architekturanbeter ist. Oberhalb des kaum am Leben teilnehmenden Örtchens befindet sich die Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp, eine Kirche mit Klarissenkloster, das vom Architekten Le Corbusier erbaut und von Renzo Piano ergänzt wurde. Bekannt wurde der Betonfetischist Le Corbusier für seine Wohnmaschinen. Seine oft in roher Betonbauweise ausgeführten Werke brachten ihn auch den Titel „Meister des architektonischen Brutalismus“ ein. Aber das alles wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, denn es war kein Kriterium bei der Auswahl der Unterkunft. Ich suchte nur nach einer netten Bleibe in einem schicken Ambiente irgendwo auf halber Strecke zwischen der Provence und Berlin.
Vorbei an einer Backsteinkirche und einigen deutlich geschlossen aussehenden Geschäften überqueren wir eine Brücke über einen friedlich vor sich hin purzelnden Bach. Dann begleiten wir eine Bahnstrecke, die knapp fünf Meter über uns auf einer Böschung entlangführt. Rechts der Straße rotten ein paar schmucklose Einfamilienhäuser vor sich hin. Dann folgen ein verfallender Gewerbehof und eine Fabrik, die teilweise schon wieder Bestandteil der renitent zurückkehrenden Natur geworden ist. Bäume und Sträucher wachsen aus aufgebrochenen Beton und aus den Ruinen einer einstigen Werkhalle. Die Straße heißt hier Rue de l’Industrie. Aber das klingt illusorisch. Sie sollte besser Rue de l’Industrie ancienne heißen.
Unvermittelt macht die Straße einen Bogen und unterquert in einem gemauerten Tunnel die Eisenbahnstrecke. Hinter einer weiteren Kurve steht ein Eisentor offen. Dahinter steigt neben einer Auffahrt ein Parkgelände leicht bergan. Riesige Bäume - Mammutbäume, wie man sie hier in der Gegend an einigen Stellen angesiedelt hat - bestimmen den Grünton des Parks. Nach einigem Zögern und Rätseln entscheiden wir uns, diese Einfahrt zu nutzen. Das Schild „Chateau de la Houliere“ und ein „Gite de France“ Hinweis sehen wir erst beim Passieren der Einfahrt, da sich diese deutlichen Hinweise unverhältnismäßig schamvoll hinter rankendem Efeu verstecken.
Wir fahren mit unserem betagten und liebevoll zurecht gebeulten Auto bis an die Seitenfront des Herrenhauses und stellen es dort ab. Zurückhaltend betreten wir die Treppe, die zum Eingang hinauf führt und stehen unschlüssig an der Tür.
Kaum drücken wir die Klingel, als sich auch schon ein Flügel des Eingangsportals zügig öffnet und uns ein hippeliger Mann, der bereits hinter der Tür gelauert haben musste, begrüßt.
Wir versuchen, ihm in holperigem Französisch klar zu machen, dass wir hier wohnen, was er für nicht ganz korrekt erklärt, da er hier wohnt. Aber er ahnt, was wir meinen und wer wir sind, und schwenkt freundlich auf die deutsche Sprache um, die er offensichtlich besser zu sprechen weiß, als wir französisch. Der junge Mann stellt sich als Christoph vor und erklärt, dass er hier der Hausherr ist. Er wohnt hier und vermietet im oberen Geschoß fünf Zimmer, die immer recht gut gebucht sind, und ob wir auch wegen der Kirche hier sind und eventuell Angst vor Hunden hätten. Wir verneinen beides. Kirche? Die Backsteinkirche im Dorf?
„Ronchamp ist ein Ort! Die Kapelle des Ortes ist weltberühmt. Die meisten seiner Gäste reisen nur wegen dieser Sehenswürdigkeit hier an“, sagt er und „Wuff“ sagt eine kleine französische Bulldogge, die hinter einem provisorisch mit dem Rest eines Kinderlaufgitters abgesperrten Durchgangs auf den Boden des Speisezimmers sabbert. „Der hat noch eine Schwester, aber die ist irgendwo draußen“, informiert uns Christoph. Dann führt er uns die Treppe hinauf zu den Zimmern.
Unser Zimmer ist das Letzte, auf dem Flur. Ein einfacher, aber schwerer Bartschlüssel mit einem Messinggewicht genügt hier als Sicherung. Christoph zeigt uns kurz die Räumlichkeiten, spricht über die Frühstückszeiten und zieht sich höflich zurück.
Das Interieur dürfte in die Mitte des 19. Jahrhundert passen. Ein schmales Doppelbett mit vielen Kissen und einem angedeuteten Himmel, die Tapete ganz Biedermeier. Ein heller etwas angeschlagener Kleiderschrank aus Holz, ein kleiner runder Tisch mit zwei Lehnstühlen aus Holz füllen den kleinen Raum. Ein kleiner Aufsteller drängt sich in eine Ecke, in dem sich Karten und Angebotsflyer für die Region rauspicken lassen. Das Zimmer besitzt zwei Fenster, die zum Park und dem sich anschließenden Wald hinaus blicken.
Nebenan ein prächtiges helles Bad, mit einer weißen Badewanne, die freistehend auf einem kleinen Podest mit lackierten Löwenfüßen protzt. Die Duschbrause erinnert an einen älteren Telefonhörer.
Zurück im Zimmer öffne ich das Fenster und werde sofort von einem Geräusch fasziniert, dass ich in dieser Intensität lange nicht mehr gehört habe. Aus dem Park und dem dahinter ansteigenden Wald schallen duzende verschiedener Vogelstimmen. Amsel, Singdrossel, Kleiber, Rotkehlchen und Meisen sind darunter, aber auch einen Buntspecht kann ich heraushören. Ein helles abfallendes Fiepen ist auch darunter. Die digitale Welt hat auch Bildungsvorteile, denke ich und suche die App auf meinem Taschentelefon, die mir anhand des aufgenommenen Vogelgesangs, erklärt, was ich da grad höre. Es ist ein Sommergoldhähnchen. Es schnattert aus allen Rohren durchs Gehölz. Ich setze mich auf einen der beiden Stühle, um zu lauschen. Dabei nicke ich ein. Erst ein die Waldharmonie störendes Geräusch lässt mich wieder hochschrecken. Es ist das allseits bekannte und beliebte Geräusch eines knirschend die Kiesauffahrt hinaufrollenden Porsches. Direkt unter unserem Fenster hält der Bolide dem bereits etwas betagten aber überaus gepflegten Wagen entsteigt ein Pärchen, das sich unverkennbar als britisch ausweist. Der Mann ist lang, schlaksig, sein Haar von beginnendem Grau durchzogen. Die Frau schüttelt beim Aussteigen etwas zickig ihr blondiertes Haar. Irgendetwas muss er im Auto gesagt haben, dem sie zustimmt, denn sie antwortet mit einem langgezogenen “Indeed”. Er schnallt das Köfferchen vom Heck und sie verschwinden ums Eck Richtung Treppe.
II. Ronchamp
Dass ich Ronchamp als Ort für recht piefig halte, erwähnte ich schon? Ich möchte noch ergänzen: Es ist außerdem verschlafen, mausgrau und tot. Na, halbtot. Ronchamp besitzt ja durchaus ein paar lohnenswerte Reiseziele, wenn ich den Flyern im Herrenhaus glauben schenken darf. Die Wallfahrtskirche von Le Corbusier, sowie eine weitere etwas adrettere Kirche in der Ortsmitte, ein Bergbaumuseum, eine Tankstelle ... . Auch eine Gaststätte soll es geben. In einem der Angebotsheftchen in unserem Zimmer waren gleich mehrere angepriesen. Christoph rät uns die „Pizzeria La Villa bleu" zu besuchen. Nicht nur, weil es dort speisenmäßig ganz ordentlich sein soll, sondern - und das sei der größere Vorteil - es die einzige Gaststätte sei, die im Moment offen hat.
Wir machen uns auf den Weg und ich folge den Anweisungen meines Navigationsgerätes im Taschentelefon. Diese nötigen uns, der Industriestraße zurück ins Dorf zu folgen. Es ist noch nicht sehr spät, deshalb biegen wir unter einem Torbogen rechts ab und folgen einer steil aufsteigenden Straßenführung. Hier soll es zur Wallfahrtskirche gehen, von der alle schwärmen. Zunächst gelangen wir aber zu einem verfallenen Schachtturm eines Bergwerkes. Der Kohlebergbau war im 19. Jahrhundert der wichtigste Arbeitgeber in der Region. Aus knapp tausend Metern Tiefe holten die Kumpel hier in härtester Knochenarbeit die Kohle aus den nicht besonders dicken Flözen hervor. Wie es ist, in einem Korb knapp einen Kilometer unter die Erdoberfläche hinabgelassen zu werden, vermag ich mir nicht vorzustellen. Will ich auch nicht. Mir reicht schon ein normaler Hotelfahrstuhl, um in Panik zu geraten.
Ein Stück die Straße hinauf erscheint das Ortsausgangschild. Es ist nur noch eine Landstraße am Hang, kein Fußweg, kein Hinweisschild auf die Attraktion des Ortes. Sieht so ein Pilgerweg aus? Mittlerweile ist der Hunger auch größer als die Aussicht auf katholische Glückseligkeit. Wir trollen uns wieder den Weg hinab und finden im Ort einen lebenden Bäcker, der zumindest ein Schokoladenbrötchen rausrückt.
Um die Pizzeria zu erreichen, muss man nur einmal die den Ort durchquerende Hauptverkehrsstraße folgen, vorbei an geschlossenen Hotels, einer Bankfiliale, einem geöffneten Altersheim, einem Immobilienmakler der allerhand attraktiv und problemlos zu bekommende Gebäude im Ort anpreist. Dann gibt es noch ein Autohaus, in dem man Autos kaufen kann, die einem von hier wegbringen und einem Supermarkt. Da kehren wir ein, um uns etwas zu besorgen, das den Ernstfall eines geschlossenen oder unauffindbaren Restaurants den Schrecken nehmen soll. Was zum Knabbern und eine Flasche Rosé sollte uns im schlimmsten Fall über den Abend retten. Eine Tüte für den Kram rückt die Verkäuferin nicht raus. Also tragen wir eine Flasche Rosé durch die Landschaft. Die Straße, der wir auf Empfehlung meines Navis folgen, führt uns zum nächsten Ortsausgangsschild. Ein paar Bemühungen den Ort aufzuhübschen, erkennen wir jedoch. Am Straßenrand fallen mir ein paar bunter Fahrräder auf und es hängen die Trikots an den Straßenlaternen, die die Fahrer der Tour de France tragen, wenn sie eine bestimmte Wertung anführen. Grün, gepunktet, gelb. Ronchamp ist kein Ort, der in diesem Jahr zu den Etappendurchfahrten zählt, aber offensichtlich muss die Karawane hier entlang, da zwei Etappen durch die Region führen. Vielleicht beherbergt eines der geschlossenen Hotels während der Tour auch eine der Mannschaften.
Die Pizzeria ist menschenleer. Wir bekommen einen Platz im Innern, da es draußen zu regnen anfängt. Die Kellnerin tut ein wenig so, als hätte sie das Haus voll. Sie ist nicht übertrieben freundlich, aber auch nicht deutlich abweisend. Nebenbei gehen Pizzakartons aus der Küche raus und verschwinden mit einem kleinen Mann auf einem Mofa.Im Innern des Flachbaus sind alle Dachbalken mit Nummernschildern der verschiedenen amerikanischen Bundesstaaten behängt. Während wir auf unser Essen warte, gucke ich mir die Sammlung von Autoschildern an. Ich finde Utah nicht und auch nicht Hawaii. Während wir eine recht üppige Pizza verspeisen, umstreicht ein kleiner Hund, der zum Haus gehört meine Beine.
Recht gut gesättigt tragen wir unsere Flasche Rosé in Richtung Herrenhaus. Mittlerweile hat der Regen etwas zugenommen. Wir haben einen Schirm mit, der wegen des heftig aufziehenden Windes leider nicht sehr sinnvoll eingesetzt werden kann. Immer wieder schlägt er im Wind um.
Als wir klatschnass im Herrenhaus ankommen, stürzt, kaum das wir die Tür öffnen Christoph aus seiner Deckung. Er habe sich etwas Sorgen gemacht, denn unser Auto stehe ja noch da und von den für die Gäste gedachten Schirmen sei auch keiner weg. Aber er sieht unsere eigene Waffe gegen das schlechte Wetter und ist etwas beruhigt, auch wenn wir den Fußboden volltropfen. Aber das scheint er von seinen Hunden gewöhnt zu sein. Dass wir einen Rosé mit auf Zimmer nehmen wollen, sieht er mit etwas Sorge, denn er bemerkt, dass der Wein nicht kalt ist. Ohne lange zu fragen, nimmt er mir die Flasche aus der Hand und kündigt an, dass er diese für eine Viertelstunde ins Tiefkühlfach legen würde und ihn uns dann auf unser Zimmer zu bringen beabsichtigt. Ein zuvorkommender Service, dem wir nichts entgegensetzen, außer unseren Dank.
Tatsächlich klopft es zwanzig Minuten später an unserer Tür und Christoph steht mit einer kalten entkorkten Flasche Rosé und zwei Gläsern davor, wünscht uns einen schönen Abend und schwebt beinahe geisterhaft wieder von dannen.
Erstes Frühstück
Wir sind nicht die Ersten am Frühstückstisch. Eine Familie aus Ulm sitzt bereits beim Essen und unterhält sich mit Christoph. Ein älteres Paar, das offensichtlich aus Frankreich kommt, hat sich eher zurückhaltend am Ende des ovalen Frühstücktisches platziert. Wir setzen uns an die freie Seite des großen im Mittelpunkt des Salons aufgestellten Tisches. Kurz nach uns erscheint noch das englische Paar im Salon und die gemischte Runde ist komplett. Christoph spielt den Tischdiener und den Conférencier gleichermaßen, denn, wenn es schon nicht ganz unabsichtlich nur einen gemeinsamen Tisch gibt, dann sollen sich die Leute auch näher kommen und sich unterhalten. Eine wunderbare Abwechslung entgegen all den anonymen Frühstücksälen mit Büfett, wo jeder für sich sitzt und sicher vom menschenfreundlichen und gesprächshungrigen Hausherr nicht ganz absichtsfrei so angerichtet. Das Konzept geht auf. Nach wenigen Minuten sind wir im Gespräch über die Architektur von Le Corbusier und allerhand Kunstkram, der zu allererst von der Ulmer Familie ausgeht. Christoph interessiert sich jedoch mehr für den Porsche und so erfahren wir bald, dass die Engländer mit dem alten Gerät bei einem Vintagetreffen für alte Porsches im Norden der Lombardei waren. Ein Hobby, dass er sich mit seinem Ingenieursgehalt gerade so leisten kann, sagt er mit einem Lachen, das irgendwo zwischen Ironie und Bitterkeit angesiedelt ist. Von der Kirche haben sie gehört. Vielleicht fahren sie heute noch dran vorbei. Christoph erzählt, in seinem Haus übernachten häufig Leute, die nur wegen der Kirche anreisten. Kunstkenner und Architekturfetischisten aus aller Welt. Japaner waren schon hier, was seiner Begeisterung für fremde Sprachen einen zusätzlichen Schub gab. Er spricht selbst außer Französisch, Deutsch und Englisch noch Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, wichtige Sätze in Chinesisch und Japanisch und habe es durchaus auch schonmal mit Russisch versucht. Ein Multitalent und angesichts der vielen unterschiedlichen Menschen, die sein Haus durchqueren und mit denen er ein angenehmes Gespräch sucht sicher auch kein Misanthrop.
Milles Etangs
Mille Etangs
Ich liebe den Elsass, die wunderbare Landschaft der Vogesen, die Weinberge, die pittoresken Dörfer und die wenigen lebendigen Städte. Nicht zu vergessen, die Küche. Der Elsass hat immer wieder schwere Zeiten durchgemacht. Wenn diese Gegend eine Katastrophe heimsuchte, dann mit voller Kraft. Die beiden Weltkriege haben das Land verwüstet, die Coronapandemie trifft die Gegend ebenso schwer. Stets versuchte sich das kleine Land zu erholen, und wird es auch diesmal wieder schaffen. Vielleicht ist in dem Fall ein europäischer Gemeinschaftssinn eine gute Voraussetzung. Das bleibt abzuwarten – aber möglichst aktiv. Hinterher sind wir alle an Erfahrung reicher, aber in vielerlei anderer Hinsicht vermutlich auch ärmer.
Im Elsass spiegelt sich der Unterschied zwischen Armut und Reichtum in den Gemeinden wider. Es gibt Orte, vor allem, die die von Weinanbau und Tourismus leben, denen man es ansieht, wie gut es ihnen geht. Andere Gegenden, wo Bergbau längst Vergangenheit ist, wo bestenfalls die Forstindustrie dominiert, wie in der Gebirgsregion oder Anbau von Mais und Kohl in der Rheinebene, hat die Arbeitslosigkeit große Löcher ins Budget der Haushalte gerissen.
Faucogney-et-la-Mer scheint sich gerade irgendwie im Aufschwung zu befinden. Der kleine Ort mitten im Gebiet des Plateau de Mille Etangs renoviert gerade die Straßen seiner Ortsmitte. Pflastersteine liegen bereit, an einigen Häuser trocknet frischer Putz. Ein Kindergarten, eine Grundschule, sowie ein weiterführende Schule stehen zentral nebeneinander. Es gibt sogar ein Hotel mit Restaurant, das aber gerade nicht nach besonderer Betriebsamkeit aussieht. Eine internationale Handelsfirma dominiert den Ort mit langgezogenen Lagerhallen. Ein Hinweisschild weist auf den in fünf Kilometern befindlichen Ort La Mer hin, der, wie ich auf meiner Karte erkenne, aus einem kleinen Bauernhof und einem Teich besteht, die irgendwo an einem Hügel kleben.
Nahe der Feuerwehr befindet sich ein großer Parkplatz, der komplett leer ist. Normalerweise scheint sich hier in besseren Zeiten der Markt zu befinden. Heute lasse ich hier das einzige Fahrzeug weit und breit stehen. Das scheint mir beinahe etwas sehr wagemutig.
Wir verkleiden uns als Wanderer und laufen die Straße entlang. Für den Hang des Mensch seinen Garten so zu schmücken, dass vorbeischlendernde Personen geschockt Abstand nehmen und Autofahrer eine erhöhte Unfallneigung erfahren scheint auch diese Gegend anfällig zu sein. Ein kleiner Hof besitzt einen Hanggarten mit Kräutern. In den Beeten steht nicht nur ein Fahrrad mit einer Puppe im Bergtrikot der Tour de France, sondern ein Rudel Holzenten, sowie diverse Gartenzwerge, Teletubbies und die sieben Zwerge. Aus einer Hundehütte guckt ganz süß ein Holzhund. Bambi steht auf einer kleinen Anhöhe. In den Zweigen der Bäume hängen allerhand bemalte Holzvögel. Die Augen tun einem weh bei all dem bunten Kitsch. Selbst den Betroffenen eines Kindergeburtstags tut man soviel geschmückte Geschmacklosigkeit nicht an. Wir beschleunigen unseren Schritt und finden kurze Zeit später einen Abzweig, der uns auf einen Wanderweg in den Wald führt.
Da wir im Vogesenvorland sind und die Gegend als Plateau bezeichnet wird, wundert mich der Umstand kaum, nun einem zügigen Anstieg ausgesetzt zu sein. Vor uns tollt eine Familie mit zwei Kindern und drei Hunden über den Waldweg. Mit einer Geschwindigkeit, der wir weder folgen wollen noch können. Junge Leute.
Als wir sie wegen eines Aufenthaltes eines der Kinder hinter einem Busch kurz einholen, grüßen sie freundlich. Einer der Hunde guckt meinen Wanderstock neugierig an. Vermutlich wünscht er sich, dass ich den Stock in den Wald werfe und er ihn apportiet. Den Teufel werde ich tun. Wenn ich mich im Gedankengang des Hundes geirrt habe, bin ich der Trottel der durchs Gehölz hechtet, um seinen guten zehn Jahre alten korsischen Stock aus Kastanienholz suchen müsste. Aber der Hund wird auch schnell zurückgepfiffen und die Familie beschleunigt wieder auf ein ihnen gemäßes Tempo.
Der Wald wird dichter, dunkler und dann unvermittelt blitzt es durch die Bäume durch. Wasser. Ein kleiner Waldsee auf dem zwei Enten schwimmen ist hinter den Bäumen und Sträuchern zu erkennen. Seerosen bedecken große Teile der Oberfläche. Ein paar Meter weiter ist der nächste Tümpel. Immer wieder erscheint nun rechts und links des Wanderweges eine kleine Wasserfläche.
Der Weg führt uns nach einiger Zeit wieder steil bergab und wir erreichen wieder die Straße am anderen Ende des Ortes, laufen gemütlich zurück und stellen erfreut fest, das unser Auto immer noch unbehelligt auf dem Parkplatz steht.
Also fahren wir noch ein bisschen weiter durch die Gegend und durchqueren Orte und Waldstraßen, die gesäumt sind von weiteren kleinen und größeren Seen. Die meisten sind hier während der letzten Eiszeit entstanden. Einige wurden aber auch von den Mönchen der zahlreichen Klöster dieser Gegend als Fischteiche angelegt. Die Straßen durch die Hügellandschaft sind steil und winden sich um Kurven und durch schattige Wälder. Hier ist das Autofahren mit großer Aufmerksamkeit notwendig. Immer wieder schießen ausgesprochen gut trainierte Radfahrer an uns vorbei. Ich fahre nach rechts an den Rand. Während zwei Radfahrer einen Berg vor mir herabschießen, rolle ich mit Warnblinkanlage und Licht langsam weiter, bis eine weitere Gruppe, die den beiden folgt, an uns vorbei gezogen ist. Einer der Jungs grüßt und dankt.
Nach einigen Kilometern durch dieses schöne Hügelland befinden wir uns wieder auf einer hellen Landstraße. Wir sind schon mit dem Gedanken bereits im Herrenhaus. Doch dann taucht ein gut frequentierter Parkplatz auf, vor dem eine Imbissbude mit leckerem Fastfood lockt. Hier halte ich. Der Imbiss bietet Fritten an und Wurst und Cola und Bier und ein paar belegte Baguettes. Hinter der Bude erstreckt sich ein weitläufiges und gut besuchtes Picknickgelände, das von einem zügig dahinfließenden Flüsschen begrenzt wird. Mehrere, vor allem arabische Familien spielen dort und grillen. Kinder stecken ihre Füße in das kalte Wasser. Fußbälle fliegen durch die Gegend und Federbälle. Es ist ein idyllischer Flecken am Rande der Straße, an dem jeder friedlich seine Freizeit im Grünen genießt, noch völlig ohne Angst vor Anfeindungen oder einem unsichtbaren Virus.
Schließlich fahren wir doch weiter und erreichen wieder Ronchamp.
Die Wallfahrtkirche von Ronchamp
Es ist noch relativ früh am Nachmittag. Also fahren wir noch nicht zum Herrenhaus, sondern biegen unter dem Viadukt ab in Richtung Wallfahrtskirche. Wenn das hier der große Superbesichtigungspunkt ist und wir schon mal zufällig da sind, dann sollten wir uns dieses Mekka der Wallfahrtspilgerer und Architekturanbeter wenigsten kurz anschauen.
Der Pilgerort beginnt, wie zu erwarten, mit einem großen, gut ausgebauten Parkplatz, auf dem neben zahlreichen Autos auch allerhand Reisebusse stehen. Ich parke mein zerbeultes zwanzig Jahre altes Lieblingsauto zwischen einem SUV und einem höherpreisigen Fahrzeug aus BaWü mit entsprechendem Kennzeichen. Die meisten der abgestellten Fahrzeuge weisen Nummernschilder aus Deutschland auf. Ich sehe bestenfalls noch einen Belgier und zwei Franzosen. Aber vermutlich arbeiten Letztere hier.
Vom Parkplatz aus lässt sich die Kirche nicht gut fotografieren. Betonmauern, die um das Gelände herumgebaut wurden, schützen sie vor unautorisiertem digitalem Zugriff. Wir folgen einer Gruppe munter plappernder betagter Württemberger Wallfahrtsjünger in Richtung Besucherzentrum. An der Tür finden sich erste Hinweise darauf, zu welchem Preis man sich im Kirchenraum von der göttlichen Erhabenheit moderner Baukunst überwältigen lassen darf. Acht Euro für einen Blick auf meisterlich gegossenen Rauputzbeton mit bunt verglasten Schießscharten. Im Raum, in dem man die Eintrittskarten kaufen kann, befinden sich zahllose Auslagen mit den üblichen Merchandisingprodukten. Ich-war´-hier-Postkarten, Rosenkranzattrappen und Bildbände über das Wirken von Le Corbusier und Renzo Piano. Letzterer hat am Gelände ebenfalls Spuren hinterlassen. Die angrenzende Klosterkaserne des Klarissenordens stammt von ihm. Das Besucherzentrum wohl auch. Wir suchen uns einen Kugelschreiber aus dem Angebot heraus und gehen zur Kartenkasse. Legen ihn vor die Kasse. „Zwei Eintrittskarten“ fragt die junge Mitarbeiterin des Besucherzentrums. „Danke. Nein. Nur den Kugelschreiber bitte“. Die junge Frau lächelt milde, kassiert die 3 Euro und wir gehen vorbei an der hinter uns stehenden Gruppe ungläubig guckender Gläubiger hinaus. Man kann sich auf Reisen nun mal nicht alles anschauen. Manchmal verpasst man halt auch mal was.
Nachmittag im Herrenhaus
Wenn man schon etwas mehr Geld ausgibt, um sich einen Aufenthalt in einem schicken Schlösschen zu leisten, sollte man seine Zeit bei Hofe auch abwohnen. Wir beschließen, den Rest des Nachmittags im Chateau zu verbringen. Es gibt eine mondäne Badewanne zu benutzen und hinter dem Haus befindet sich ein klitze kleiner Park mit Tischen, Pavillon und Sonnenschirmen. Umgrenzt wird er von einer nett zurecht gestutzten Hecke. Ich schnappe mir meinen Laptop und setze mich an einen der ins Kiesbett gerammten Eisentische. An einem anderen Tisch sitzt ein stattlicher Kerl, ca. 60 Jahre, der grinst und liest. Körperbau, Selbstgefälligkeit und Haltung pasen zu sammen. Ich tippe auf Amerikaner. Ich versuche ein bisschen Smalltalk, auf den er sofort anspringt. Binnen kurzer Zeit erfahre ich, dass er Geschäftsmann aus Bosten ist und hier ist wegen Geschäften. Muss heute nochmal wohin. Wohnt, wenn er hier Geschäftliches vorhat, gern in der Hütte. „Nice House, Nice Place, well.“ Was mich in die Gegend treibt, fragt er nicht.
Inzwischen kommen weitere Gäste an. Ein älteres Ehepaar radelt mit Elektrorädern knirschend die Kiesauffahrt hinauf und hält ermattet vor dem Haus. Sie sagen kurz Hallo, ich erkläre ihnen, wo sie klingeln müssen. Kurze Zeit später knirscht noch ein Auto mit Wiener Kennzeichen vors Haus. Sie fragen kurz nach, ob ich der Hausmeister bin und wo sie „Bittscheen äinchäcken kennen“. Ich weise ihnen höflich den Weg und vertiefe mich dann wieder in den Innereien meines Computers.
Abendessen in der Pizzeria
Wir hatten am Abend zuvor mit Christoph über unsere lange Wanderung durch den Ort gefachsimpelt. Er gab uns einen Rat, wie wir den Weg zur Pizzeria, die aufzusuchen, wie auch heute kaum eine andere Wahl haben, abkürzen. Zunächst sollen wir dieses kleine Loch da drüben im Wald durchqueren. Es ist ein Fußweg, der direkt unter der Bahnlinie durchführt. Ein bisschen gruselig, aber er verkürzt die Strecke schon mal um fünfhundert Meter. Dann, wenn wir aus dem Loch rauskommen, stehen wir auf der Industriebrache des alten Werkes. Da gehen wir einfach weiter über das Industrieruinengelände, bis zu einem aufgehäuften Beton- und Dreckhügel. Da müssen wir noch kurz drüber und schön führt uns ein Fußweg durchs schönste Unterholz auf den Fluss zu. „Ok“, denke ich. „Jetzt kommt der Teil mit den Gummistiefeln“.
„Dort hat man vor zwei Monaten eine nagelneue Holzbrücke über den Fluss gezimmert. Dahinter ist noch ein bisschen Dickicht und dann kommen wir über einen Feldweg direkt auf die Pizzeria zu.“
Auf dem Weg kommt uns ein Jogger, ein Mann mit Hund und ein junges Pärchen entgegen. Es ist also ein allgemein bekannter Geheimtipp. Und tatsächlich sind wir nach zwanzig Minuten an der Pizzeria.
Da heute das Wetter gut ist, sind auch die Plätze draußen belegt. Genau genommen sind nur die Plätze draußen belegt. In der Küche herrscht geschäftiges Treiben. Der Hund flitzt rein und raus, die Kellnerin flitzt rein und raus und auch der Pizzabote ist flink unterwegs. Gestern hatte ich auf der Speisekarte eine Elsässer Spezialität leider links liegen lassen. „Frittierter Karpfen“. Zwei Tische weiter wird das gerade serviert und ich freue mich schon mächtig drauf. Als wir endlich bestellen wollen, erklärt uns die Kellnerin, frittierter Karpfen ist aus. So ein Pech. Na gut, dann eben Pizza. Die sei auch alle, sagt sie, während sich der Pizzabote mit drei Paketen an ihr vorbei zu seinem Mofa drängelt. Ich schaue sie ungläubig an. Am Ende begnügen wir uns mit einer Grillplatte, von der gerade noch genug da ist. Die ist allerdings recht appetitlich. Wir sitzen also in der abendlichen Sonne, schauen auf die grünen Hügel des Elsass und genießen den Moment. Mittlerweile haben sich auch das ältere E-Biker-Paar in der Pizzeria eingefunden, die Wiener sitzen keine drei Meter weiter und der Bostoner Geschäftsmann findet auch den Weg zur Pizzeria. Christoph wird sich wohl im Herrenhaus mit seinen Hunden eine Bockwurst teilen.
Abends sitzen wir noch ein wenig im Salon des Hauses in plüschigen roten Sofas, schauen uns ein das Familienmuseum an und lesen uns müde.
Der letzte Morgen
Alles ist gepackt. Der Tag der endgültigen Heimreise ist angebrochen. Jetzt steht den zehn Stunden Autofahrt nur noch ein Frühstück im Weg. Kaum trete ich aus unserer Zimmertür, öffnet sich die gegenüberliegende Tür ein Spalt und die Dame aus Wien lugt ängstlich heraus. Vor der Tür liegt hechelnd einer der beiden Hunde des Hausherren.
Flehentlich bittet die Dame im schönsten Wiener Dialekt: „Würden Sie sich eventuell im Stande sehen, dieses Tier zu entfernen. Ich weiß es klingt albern, aber ich habe schreckliche Angst vor Hunden.“
Ich sage nur kurz „Pfiffi, komm!“ Und schon spaziert der Bursche munter mit uns Richtung Treppe. Nur an der Treppe müssen wir das Vieh hochheben, da es etwas Schiß vor den Stufen hat. Bei den kurzen Beinen kein Wunder. Die französische Bulldogge ist eine Art Mops mit aufrechten Ohren. In den Arm genommen entpuppt sich das Tier als ein komplettes dicht gepacktes Muskelpaket, aus dem eine schlabbernde Zunge schnell den eigenen Hals nass macht. Unten übergeben wir den kleinen Kerl dem Besitzer, der darauf hinweist, dass dieser kleine Kerl ein Mädchen ist.
Am Frühstückstisch bedankt sich die Wienerin für ihre Rettung. Die Wiener sind, wie wir erfahren, auf der Heimreise von ihrem Urlaubsort.
„Und die Wallfahrtskirche?“
„Ja kann man mal schauen, wenn noch Zeit ist.“
Das E-Bike-Pärchen ist auch nicht wegen der Kirche hier, sondern weil sie eine Radtour vom Saarland aus bis in den Jura unternehmen und Ronchamp gerade so auf der Strecke liegt. Sie ist gerade siebzig geworden und er ist etwas älter. Er erzählt, dass er sich zu seinem siebzigsten Geburtstag noch mal ein richtig sportliches Rennrad gekauft hatte und damit auf Tour ging, bis er merkte, dass bestimmte Steigungen irgendwie nicht mehr so zügig von den Pedalen ging, wie er es sich eigentlich zugetraut hatte. Besonders mit dem ganzen Gepäck, dass er auf so einer Tour mit sich führte, ließ ihn seine Frau mit ihrem E-Bike regelmäßig stehen. Späte Einsicht ließ ihn dann ebenfalls zu seinem ersten E-Bike greifen. Nun fahren sie wieder zusammen in einem gemäßigt zügigen und elektrisch unterstützten Tempo am Tag ihre fünfzig, sechzig Kilometer bis zur nächsten Übernachtung. Zurück nehmen sie dann allerdings den Zug.
„Und die Wallfahrtkirche?“
„Ach ist hier ein besonderes Bauwerk? Haben wir gar nicht gewusst. Aber wir haben heute die längste Etappe vor uns. Da lassen wir uns mal von solchen Nebensächlichkeiten nicht ablenken.“
Da Christoph weiß, dass wir ja auch nicht wegen der Kirche hier sind, zieht er eine Augenbraue hoch und sagt zur Abwechslung mal nichts.
Nach dem Frühstück gehe ich noch Bezahlen. Christoph ist etwas hippelig. Er wartet auf einen Verwandten, der den Laden für drei Tage übernimmt. Er selbst will heute noch nach Paris, um morgen zu einem Konzert zu gehen. Eigentlich bleibt er ja die meiste Zeit des Jahres hier im Haus. Aber diesmal muss ich da hin.
„Wer spielt“, frage ich.
„Ach, kennen Sie bestimmt nicht. Mylene Farmer“.
„Doch die kenne ich“, gebe ich zurück. Nicht besonders gut vielleicht, aber ich weiß von ihren aufwendigen Bühnenshows, in denen ungeheuer viel Technik im Spiel ist. Wasservorhänge, Versenkungen, Kräne, Flugwerke – alles was das Herz eines Theatertechnikers so erfreut.
Nebenbei ist sie eine Ikone der Lesben-und Schwulenbewegung. Na klar muss Christoph da hin.
Und dann verabschieden wir uns von ihm und den beiden Hunden und hupen den abreisenden E-Bikern nach, die gerade, so wie wir, knirschend die Kiesauffahrt herunterrollen.