Die schwedische Sprache ist schon etwas speziell, aber einzelne Phrasen sind schnell zu erlernen. So sagt man einfach “Hej” wenn man jemanden begrüßt. Das entspricht dem landläufigen “Hallo” oder auch “Tach”. Gamla Stan ist die Altstadt von Stockholm, wobei Gamla im Schwedischen für Alt steht. “Hej Gamla” heißt übersetzt also nichts anderes als “Tach, Alta”. Was heißt dann wohl “Gamla Swede”?
Soweit zur Sprache, obwohl, ganz fertig bin ich noch nicht. Selbst bedeutende Schweden haben manchmal mit der eigenen Sprache ihre Probleme. Der bedeutendste Schwede ist zweifelsfrei der König. Im Moment thront Karl der XVI.Gustav als Obermotz über dem Land, nebst seiner reizenden Gattin Silvia Sommerlath aus Heidelberg. Karl Gustav sieht für mich immer aus, wie der britische Schauspieler Jim Broadbent, ein angenehmer Zeitgenossse, der hochsensible Charaktere genauso überzeugend darstellt, wie Schurken und Deppen.
Karlchen hat ein Problem. Laut seiner Biografen hat er sogar mehr als eins, aber eins sticht besonders heraus. Er leidet unter Dyslexie, er hat also eine Lese-, Schreib- und Verstehschwäche. Man könnte also sagen, er ist nicht besonders helle, aber das tut man heutzutage nicht mehr, da es diskriminierend sein würde und überhaupt, wenn man das einem König bescheinigt, ist das ebenfalls nicht besonders schlau. Dyslexie ist ein ernstes Problem. Man ist dabei gern überzeugt von der Richtigkeit dessen, was man liest, was ernste Folgen haben kann. Stellen sie sich vor man ließt das Wort Hund, erkennt aber nur das Wort Katze. In dieser Überzeugung trifft man dann auf einen entlaufenen Pitbullterrier und mauzt ihn freundlich an: “Na Purzel”. Dyslexieerkrankte brauchen Betreung. Kalle ist ja glücklicherweise in der royalen Isolation gut aufgehoben. Bekannt ist trotzdem die Geschichte, in der der König über sich selbst sprach oder vorlas.

Dabei verdrehte er das schwedischen Wortes für König. Im Schwedischen wird es Kung geschrieben und Küng gesprochen. Er sprach von sich aber nicht, als “seine Majestät der Küng”, sondern von seiner Majestät, der Knüg”. Irgendwie süß. Mittlerweile gibt es vom Knüg Carl Gustav mehrere gefakte Facebookprofile, die ihm allerhand unangemessenes Zeug in den Mund legen. Wir kennen das in Deutschland ja noch von Herrn Westerwave. Für Kabarettisten ein gefundenes Fressen. Für den König, sofern er es versteht, eher lästig.
Auf Gamla Stan besitzt der Knüg ein imposantes Vorzeige- und Repräsentationsschloss. Einen richtig dicken Kasten. Er wohnt dort aber nicht gern, sondern lieber auf Drottningholm, einem Lustschlos auf einer Insel des nahen Mälarensees, welches in seiner Anlage und den Ausmaßen vor Versailles nicht zurückstecken muss. Die königliche Familie besitzt noch ein paar weitere Schlösser, von denen Schloss Gripsholm wohl das Bekannteste ist. Leider fehlt mir im Moment die Zeit für die Besichtigung des Schlosses Drottningholm und so entgeht mir auch der Besuch eines der am besten erhaltenen Barocktheater Europas, das sich im Schloss Drottningholm befindet. Das verfügt wohl über eine originale Bühnenmaschinerie aus dem späten 17. Jahrhundert, mehrere Bühnendekorationen aus dem 18. Jahrhundert und wird heute sogar wieder originalgetreu bespielt. Nur die Besetzung hat sich etwas verjüngt, wie ich hoffe. Das Theater ist durchaus ein Grund, Stockholm ein weiteres Mal zu besuchen.
Wenn man nur einen ganzen Tag Zeit hat, um eine Stadt wie Stockholm zu besuchen, bleiben viele sehenswerte Dinge auf der Strecke. Das Wasamuseum z.Bsp. oder das ABBA-Museum. Aber am Königspalast kommt man nicht komplett vorbei. Und zwar schon deshalb nicht, weil der Klotz mitten im Weg steht.
Das Stockholmer Königsschloss ist nicht besonders schön und so groß, dass der Versuch es zu fotografieren scheitern muss. Lediglich von der Wasserseite ist es möglich, eine Front des Baus komplett einzufangen. Vor dem Haupteingang steht auf einem unbequem gepflasterten Vorhof ein Obelisk. Der erinnert an einen Schwedisch-Russische Krieg im 18. Jahrhundert. Bei meinem Besuch ist der Obelisk zu Reinigungszwecken eingehüllt. Gerade im Aufbau befindet sich auch eine Reiterstatue.

Die ist so frisch, das sie noch eingepackt ist. Für die zahlreichen Reisebusse, die hier vor dem Schloss parken ist das eine Zumutung, denn bisher standen hier lange Zeit nichts anderes als Reisebusse. Der Andrang auf das Portal des Schlosses ist groß. Direkt hinter dem Eingang in der Tordurchfahrt zum Innenhof teilt sich der Raum in zwei Hälften. Links geht es in einen Museumsbereich mit Rittersaal, Waffenkammer und weiterführenden Prachtsälen. Rechts zur Schlosskapelle. Eine Wendeltreppe führt hinauf zur Kapelle. Vor dem Eingang kann man noch einmal hinab auf das hereinströmende Touristenvolk schauen und sich ein bisschen im Posen üben. Das tut eine stabile Frau aus Amerika gerade. Die dicken Arme hoch, den Hintern raus und ihr Mann fotografiert Amerikas Next Curvy Topmodell. Als sie sich verzieht schaue ich auch mal runter von diesem Platz, beschränke mich aber auf ein repräsentatives Nicken.

Der Begriff Schlosskapelle klingt vom Namen her lauschig und überschaubar. Unter einer Kapelle versteht man im Allgemeinen eine kleine Räumlichkeit zur Andacht mit Platz für einen engeren Kreis von Besuchern. Der enge Kreis beim Knüg von Schweden scheint allerdings eine komplette Kleinstadt zu füllen. Diese Kapelle ist eine richtig große Kirche mit großer Orgel, hohem Deckengewölbe und Platz für mindestens 2000 Besucher. Hinter dem Altar schraubt sich eine riesige Marmorskulptur einige Meter in die Höhe, eingerahmt von hohen Säulen. Die Decke ist mit bunten Gemälden ausgestaltet, die in soviel Gold eingefasst sind, des es an hellen Tagen von der Decke blitzt und funkelt. Ich frage mich, ob der Erzpope des Gotteshauses “Sehschwäche wegen vom Gold geblendet werden”, als Berufskrankheit gelten machen kann. Wir setzen uns ein wenig in eine der Bankreihen, können aber kaum die sonst für Kirchen übliche Ruhe genießen, da hier nicht zurückhalten gemurmelt wird, sondern in allen Sprachen der Welt kommentiert.
Der Innenhof des Schlosses, das mit 605 Zimmern die Anzahl der Räume im Buckinghampalast um sage und schreibe exakt ein Zimmer übertrifft und damit die königliche Angebermentalität sehr gut unterstreicht, ist sehr weitläufig und auch sehr leer. In einer Ecke des Hofes drängt sich ein Verkaufskiosk, an dem man überteuerte Smoothies kaufen kann. In einer anderen Region des Hofes tollen zwei junge Frauen herum, die sich in allerhand Bewegungszuständen fotografieren: beim Radschlagen, beim Springen, beim kess Gucken.

Die beiden haben jede Menge Spaß, ganz im Gegensatz zu dem Schulabgänger, der schlacksig und verloren in einer blauen Paradeuniform in der Hofmitte steht und sich von einem Soldaten im Drillich erklären lässt, wie er sein Repräsentationsgewehr zu halten hat.

Dann geht der Drillich ab und der junge Kadett muss den Hof alleine hüten. Es fährt eine schwarze Limousine vor, der ein trainiert wirkender Mann mit hochgestecktem Dutt und Zauselbart entsteigt. Er holt einen Rucksack aus dem Kofferraum und verschwindet im Schloss. Die Limousine wird vom Chauffeur ins Innere der Schlossräumlichkeiten gefahren und hinter einem Eisentor geparkt.
Der ebenfalls schwer an Dyslexie erkrankte Kronprinz Carl Philip trägt gerade diese entgleiste Form der Gesichtsbehaarung, so wie der junge Mann, der da gerade in größtem Selbstverständnis das Schloss betrat. Aber auch Leibwächter und Sicherheitsoffiziere kann man heute kaum noch vom Straßenzausel unterscheiden. Eine Form der Tarnung, die uns stets vor Augen halten sollte, dass es von Vorteil sein kann, einfach zu jedem erstmal höflich zu sein.
An der Ostfront des königlichen Schlosses findet sich ein ausladender Paradeplatz. Als ich dort einen schlendernden Blick raufwerfe, sehe ich, wie sich ein paar Besucher hinter einer Kordelabgrenzung postieren. Da ich nicht weiß, was mir entgehen könnte, wenn ich weiter schlendern würde, stelle ich mich mit meiner Herzdame ebenfalls hinter die Absperrung und warte auf das kommende Ereignis.
Und das ist wirklich ein ziemlicher Spaß.