Der Stockholmer und auch die Stockholmerin sind größtenteils frisch, jung, aktiv, überaus sportlich und gehen souverän ihren Weg. Das wird mir in dem Moment deutlich, als ich den Steg herunter balanciere, der mein Hotelschiff mit dem Gehweg verbindet. Kaum betrete ich festes Land muss ich beherzt einem vorbei spurtenden Joggerpärchen in sportlicher Hochkonzentration ausweichen und verpasse dabei um wenige Zentimeter den Abgang ins um das Boot schwappende Brackwasser. Glück gehabt, denke ich, und hallo, echt sportlich diese Stockholmer, wow, man-oh-man, Respekt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie ihre Trainingsroutine unterbrochen hätten, wenn ich Baden gegangen wäre.
In der Messe des Hauptkahns gibt es ein Frühstück aus Selbstbedienung. Das übliche Prozedere: Kaffee aus dem Spender, Brot aus dem Korb und allerhand gebrauchsfertige Wurst und Marmelade. Das alles ist praktisch in der Mitte der Messe angeordnet, macht nicht übertrieben viel her, genügt aber völlig dem Stadttouristen, der später ohnehin noch über die kulinarischen Highlights der Stadt herfallen wird, wie Pizza, MacDonalds und Bier. Die Inneneinrichtung des Bootes ist genau wie die des Hotelbereiches mit nautischem Schnickschnack ausgefüllt. Holz und Messing, neue Drucke von alten Schiffen, ein Steuerrad als Kronleuchter, ein Rettungsring und ein Hummer aus Plaste. Im Bereich des Bugs kann man an kleinen Tischchen an Deck sitzen. Dort genießt man sein Frühstück mit Blick auf die Silhouette der Stadt. Ein italienisches Pärchen tut das und palavert italienisch über dem Kaffee.
Auf dem Bugspriet, keinen Meter neben dem Paar sitzt eine Möwe und kreischt ihrer auf dem Vordach hockenden Genossin ein paar wichtige Informationen über das Frühstücksangebot der Italiener zu. Offensichtlich erhoffen sie sich etwas.
Trotz zahlreicher Stadtparks und Fußgängerzonen ist Stockholm keine Stadt zum Schlendern. Hier ist man unterwegs und mobil. Radfahrer besitzen eine gemeinsame neben der Straße in beide Richtungen angelegte Spur von der Breite einer Autofahrbahn. Hier haben sie Vorfahrtrecht und das nutzen sie in zügigem Tempo.
Um von der Södermalm hinüber zur Gamel Stan – so heißt in Stockholm die Altsstadt – zu gelangen, steigen wir die Stufen zu einer Fußgängerbrücke hinauf. Die führt übers Wasser und direkt an der Bahntrasse entlang. Nächster Halt Hauptbahnhof. Alle sechzig Sekunden donnert eine S-Bahn neben meinem rechten Ohr entlang.
Bevor wir die Altstadtinsel betreten, gelangen meine Herzdame und ich zunächst auf die Riddarholmen – die Ritterinsel. Im 17. Jahrhundert ließen sich ein paar Adlige nieder und pflanzten sich ein paar schicke Privatpaläste auf den feuchten Boden, den vorher Jahrhunderte lang Ziegen bekleckerten. Bevor das Gelände eine außerordentliche Attraktivität für mittelalterlicher Immobilienspekulanten wurde und dort Adlige allerhand adlige Ideen ausheckten, kam von dieser Insel hauptsächlich echter Käse. “Kidarskär” nannte sich der Fleck und war eine Weideinsel. Das Kloster das dort schließlich gebaut wurde, fanden einige schwedische Könige attraktiv genug, um dort in aller Ruhe begraben zu werden. Übrig ist davon heute die Riddarsholmkyrkan – die Hauptkirche des Terrains. Man verlangt Eintritt für die Kirche, den ich im Moment nicht gewillt bin zu bezahlen, auch wenn noch so viele prominente Adlige im Hauptschiff rumliegen, wie ein paar der einstmals regierenden Gustav Adolfs.
Ich kann mich noch immer nicht mit der Idee anfreunden, einer Kirche, deren Idee es ist, sich offen für alle zeigen, zu einer Institution umzuwandeln, die nur privilegierten die Möglichkeit bietet, sie zu nutzen. Allerdings hält man sich mit Eintrittsgebühren auch knausrige Touristen vom Leib.
Die Insel Riddarsholmen ist klein und für Stockholmer Verhältnisse auch ziemlich ruhig. Ehrwürdige Gebäude stehen heute gepflegt und genutzt auf der komplett gepflasterten Insel. Eines der größten Landgerichte tagt hier im Wrangelschgen Palais und auch andere Justizbehörden haben auf Riddarsholmen ihren Sitz. Der Gründer Stockholms Birger Jarls verfügt hier ebenfalls über eine Statue – nicht die einzige in der Hauptstadt.
An der Kirche vorbei überqueren wir auf einer Brücke eine der Hauptverkehrsadern der Stadt und gelangen zum Riddarhuset, dem Ritterhaus, das erste Gebäude auf der Altstadtinsel.
Stockholm – Riddarsholmen
