"Man sitzt insgesamt zu wenig am Meer"
------------frei nach unbekannt
Vor Ajaccio
Unser Vermieter versucht, uns zu erklären, wie man den Namen der korsischen Hauptstadt Ajaccio richtig ausspricht. Wir sagen A-jakjo. Er sagt A-dschadscho. Und das ziemlich schnell. Es dauert eine Weile, bis wir eine ihn zufriedenstellende Aussprache hinbekommen.
Wir fahren also nach A-dschadscho.
Und lassen die quirlige Hauptstadt gleich wieder links liegen. Ein ganzes Stück hinter der geschäftigen Innenstadt führt eine kurvige Straße direkt am Meer entlang. Überall locken steile Abstiege zum Wasser hinunter. Das Meer ist heute recht aufbrausend. Also lassen wir uns nicht verführen, sondern fahren weiter, bis wir am Ende des Golfes von Ajaccio - ja, es ist ein Golf, nicht nur ‘ne poplige Bucht - an einem betonierten Parkplatz ankommen, der wunderbar in der Sonne brutzelt. Hier geht es nicht mehr weiter. Zumindest nicht mit dem Auto. Ich bin überrascht, dass keine Reisebusse den Platz okkupiert haben. Aber angenehm überrascht. Vor dieser westlichen Spitze des Golfs liegen mehrere Inseln auf denen alte Wehrtürme aus dem 17. Jahrhundert auf kantigen Felsen über das Meer ragen. Der Archipel des Sanguinaires besteht aus der Landzunge, auf der wir stehen und vier vorgelagerten Inseln, die sich wie eine Kette ins Meer hinausschieben und den Kreuzfahrtschiffen einen umständlichen Umweg aufzwingen, wenn sie den Golf Richtung Norden verlassen wollen. Auf der letzten Insel steht zudem noch ein schnuckliger Leuchtturm. Aber da kommen wir im Moment nicht hin.
Stattdessen wandern wir den Chemin de Corniche entlang. Das ist ein schmaler Wanderweg, der sich ein paar Meter oberhalb der Küste entlang schlängelt. Der Weg besteht zunächst aus rotem Staub. An den grünen Hängen haben sich ein paar Einwohner des Ortes kleine Gärten und Hütten gebaut. Sieht alles eher provisorisch und illegal aus. Ist aber sicher sehr idyllisch. Das Meer wirft sich heute mit großer Kraft gegen die Felsen. Gischt spritzt hoch hinauf und ich versuche minutenlang mit der Kamera, einen besonders spektakulären Brecher zu fotografieren. Am Ende habe ich Dutzende Fotos mit spritzendem Meerwasser auf dem Fotoapparat. Tja damals, als ich noch Filme einlegen musste, hätte ich mir das überlegt. Der Weg führt noch weiter die geschwungene Küste hinauf. Immer wieder klettern wir auf ins Meer ragende Felsnasen hinauf, genießen die Aussicht und lassen uns den Wind um die Ohren brausen. Wir schauen hinüber zu den Inseln, die wir nun ganz besonders schön nebeneinander sehen können. Wie die gezackte Rückenpartie eines riesigen Meeresreptils ragen die Inseln aus dem Wasser. Schmale Wasserpassagen dazwischen.
Ein lautes Dröhnen erfüllt sie Luft. Von Norden nähern sich drei Kampfjets der französischen Luftwaffe. Diese französische Spezialeinheit ist bekannt für ihre waghalsigen Flugmanöver. Ich habe sie mal mit zwei Maschinen in den Gorges de Verdun eintauchen sehen. Der ist fast 800 Meter tief, allerdings nicht besonders breit. Mit einem Paddel in der Hand kann man sich nicht mal ordentlich die Ohren zuhalten.
Die Piloten versuchen, zwischen den Inselspitzen durchzurasen. Der erste Flieger hält gerade auf die Insel zu und kippt kurz vor dem Zusammenstoß mit dem Leuchtturm auf die Seite, um nur knapp dran vorbei zu schrammen. Was für eine coole Sau. Naja. Eigentlich kann man das cool auch streichen.
Wäre ich dort der Leuchtturmwärter, würde ich ernsthaft über eine geeignete Bewaffnung nachdenken.
Der Weg ist hinter der Pointe de la Corba, dem letzten Aussichtspunkt, den wir zu Fuß angestrebt haben, nicht mehr besonders schön. Es sieht eher wie ein ausgeschwemmtes Flussbett aus. Allerdings haben hier weniger massive Wasserfälle für die vielen ausgebrochenen Riefen im sandig-felsigen Untergrund gesorgt, sondern Reifen. Es ist ein beliebtes Gelände für Mountainbiker und Querfeldein-Crosser. Auf dem Rückweg werden wir von ein paar der Sportskanonen aus dem Weg geklingelt. Aber letztlich gelangen wir ohne schwerwiegende Verletzungen wieder zum Parkplatz und zu unserem in der Sonne glühenden Auto.
Wie wir mit Freude bemerken, hat der Wind abgenommen und die Wellen haben sich gelegt. Wir halten kurz vor Ajaccio an einer felsigen Bucht und klettern einen schmalen Abstieg hinab an einen gut geschützten Strand. Es ist nur ein kurzes Abkühlen im angenehm temperierten Wasser, das wir genießen. Offensichtlich als einzige, denn die anderen Badegäste - vermutlich Briten, weil krebsrot leuchtende Sonnenanbeter - gucken nur ratlos von ihren Handtüchern auf. Wir ziehen uns wieder an und ich winke ihnen freundlich zu. Die Mimik der anderen bleibt unbewegt. Aber mit verbranntem Gesicht lässt sich schlecht schmerzfrei lächeln.
Weiter im Innern von Ajaccio gibt es einen Strandabschnitt, der heißt Plage Trottel. Ich frage mich, wie wohl der Bereich heißt, den wir gerade verlassen haben.