Da Cassis ein altes Fischerdorf ist, bietet es sich an, in einem der zahllosen Hafenrestaurants zu Abend zu essen. Das hat nicht nur den Vorteil, relativ frische Fische und Meeresfrüchte zu sich zu nehmen, sondern dient auch der allgemeinen Erheiterung, denn nichts ist so unterhaltsam, wie dem Flanieren der Eitelkeiten zu zu schauen, das an solch einem Küstenort unweigerlich zur Abendgestaltung gehört.
Wir platzieren uns Nahe des kleinen Segelhafens dicht an der Straße in ein sich zügig füllendes Restaurant. Schnell haben wir eine Speisekarte vor der Nase. Effizienz scheint hier alles zu sein. Wer schnell bestellt und zügig isst, macht bald Platz für den nächsten zahlenden Gast.
Während wir auf Wein und Dorade und eine Portion Muscheln warten, betrachten wir das Schaulaufen.
Da ist diese kleine verbrannte Dame, mit dem kleinen Handtaschenköter. Die Lippen stechen rot aus dem Gesicht hervor. Ihr Parfüm trödelt noch eine Weile später hinter ihr her. Mädchen, mit kurzen Jeans, von denen eigentlich nicht wirklich viel vorhanden sind, laufen vorbei. Die Backen ihrer Hinterteile liegen fast komplett frei. Trotzdem haben es die Trägerinnen geschafft, in den kaum vorhandenen Jeansstoff kunstvoll Risse einzufügen.
Ein junger Mann trägt ein ganz frisches Baby vor dem Bauch. Die Geburtszeit muss bereits über einen halben Tag her sein.
Tätowierte, Shoppingsüchtige, Flanierer aller Art, ältere Herren, mit weit offenen Hemden und dem auffordernden Blick, der jungen Mädchen gilt. Touristen, die sich treiben lassen, Kinder, die einfach nur herumtollen und ihre Eltern, die sie davor warnen, zu dicht an die Kaimauer zu treten. Es ist ein buntes Treiben und ein Schnattern in allen Sprachen, die man sich denken kann. Tatsächlich herrscht der französische Laut jedoch vor. Englisch ist auch zu hören und Japanisch, etwas Deutsch natürlich und gelegentlich Portugiesisch.
Mittlerweile ist unser Essen gekommen. Meine Dorade fordert mir etwas Konzentration ab, da sich das Fleisch schlecht von den Gräten lösen lässt. Hier wäre eine etwas längere Garzeit angeraten gewesen. Meine Herzdame wühlt sich durch einen großen Topf mit Muschelschalen, deren Inhalt vermutlich vom Besitzer einer Losbude zusammengestellt wurde. Jede zweite Muschel ist eine Niete. Hier wird Nachhaltigkeit demonstriert und die Verpackung wiederverwendet. Es finden sich einige Muscheln in der Soße wieder. Satt wird sie, in dem sie die Pommes in die Soße tut und so prima Kartoffeln mit Muschelsoße genießen kann. Der ganze Spaß ist inklusive Wein zwar nicht übertrieben köstlich, dafür aber wenigstens nicht ganz billig. Neben unserem Tisch scharwenzelt ein älteres britisches Touristenpärchen herum, dass sich offensichtlich fragt, ob wir bald fertig sind. Ich tue ihnen den Gefallen und bestätige ihren Verdacht.
Diese Nacht feiert man in der kleinen Bar unter unserem Balkon etwas ausgelassener und ausdauernder. Erst gegen drei wird es leiser.
Nach einem ruhigen, müden Frühstück im Wintergarten des Hotels Jardin d’Emile, das insgesamt sehr freundlich und stilvoll erschien, sitzen wir in unserem alten Auto und tuckern unserem nächsten Ziel entgegen, dem Ferienhaus in St.Martin auf einem Hügel gegenüber des Grand Luberon.
Doch das ist ein vollkommen andere Geschichte, die vielleicht später einmal erzählt wird.