Wenn die Sonne am Abend nach links abgeht und die Bühne des Tages verlässt, halten auch die vielen Vögel im Umkreis den Schnabel. Das Meer ist ruhig und offeriert uns kein Rauschen und der Wind schweigt ebenfalls. Da es auch an Zivilisationsgeräuschen, wie Flugzeugen und Autos mangelt, habe ich das Gefühl Watte in den Ohren zu haben. Gar kein Geräusch zu hören ist für einen Stadtmenschen befremdlich. An komplette Ruhe muss man sich erst gewöhnen. Aber es war über den Tag ja nicht alles so ruhig.
Sonntag geht auch der Bretone in die Kirche. Unser Nachbar – ein bereits sehr gereifter, aber vierschrötiger Kerl mit Ringerschultern und einem Basecap, das aus seiner Zeit bei der Fremdenlegion stammen muss, steigt im Sonntagsstaat auf seinen Traktor. Es ist dreiviertel Zehn und die Kirche ist drei Kilometer entfernt. Er drockelt hinter dem Haus übers Feld und kürzt den Weg zu Straße ab.

Den Traktor braucht er später noch, wenn er, dann in Arbeitsklamotten auf den Meeresgrund fährt. Das Wasser hat sich wegen der Ebbe weit zurückgezogen und Muschelkörbe müssen neu ausgesetzt werden. Wir wandern den Küstenwanderweg entlang und können gegen Mittag, wenn die Ebbe das Wasser weit aufs Meer zurückgesaugt hat, die Schlickbauern bei der Arbeit beobachten.
Der Küstenwanderweg ist ein idyllischer, gut markierter, aber manchmal kaum auffindbarer Trampelpfad entlang der Küstenlinie. Manchmal führt er über kleine Steigungen, andermal verläuft er unmittelbar an der Flutlinie. Der Anblick der trockengefallenen Fischerboote, die auf dem Schlick liegen ist faszinierend. Noch faszinierender sind die alten Wracks, die wie aufgeklappte Gerippe auf dem Boden liegen und nur bei Ebbe zu sehen sind.
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Stellenweise zieht sich der Wanderweg durch eine Wald und manchmal an einem Feld vorbei. Immer wieder müssen wir auf dem schmalen Pfad ausweichen, weil uns Jogger entgegenkommen oder uns überholen. Es sind erstaunlich viele Sportskanonen auf dem manchmal schwer gängigen und rutschigen Terrain unterwegs.
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Eine Weile begleitet uns ein großer Hund. Keine Ahnung welcher Rasse er zugehört, aber er tut uns nichts, sondern latscht nur treu mit uns mit, bis ihm aufgeht, dass wir vielleicht doch nicht seine Erziehungsberechtigten sind. Er bellt kurz, dreht und verschwindet ohne ein weiteres Wort.
Der Weg zieht sich die ganze Küste entlang. Es ist ein Teil des Europäischen Fernwanderweges, der irgendwo bei Moskau anfängt und in Brest endet. Soweit wollen wir heute nicht. Wir laufen an einem Knotenpunkt, der l’Enfer heißt – also “die Hölle” die Straße entlang Richtung Dorf.
Der Weg zieht sich die ganze Küste entlang. Es ist ein Teil des Europäischen Fernwanderweges, der irgendwo bei Moskau anfängt und in Brest endet. Soweit wollen wir heute nicht. Wir laufen an einem Knotenpunkt, der l’Enfer heißt – also “die Hölle” die Straße entlang Richtung Dorf.

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Ein Stückchen unterhalb der Kirche kommen wir an Höfen vorbei, die mit Steinmauern zur Straße begrenzt sind.
Aus den Steinen wachsen die unterschiedlichsten Blumen in leuchtenden Farben. Ich denke zwar, die Leute machen das absichtlich, um den nächsten Punkt im Wettbewerb um die Ville Fleurie Wertung zu gewinnen. Aber meine Herzdame meint, diese prachtvollen Gebüsche sind einfach so passiert.

An vielen Hauseinfahrten stehen diese prachtvollen Gewächse in voller Blüte, duftend und leuchtend. Gegen Abend schließen sie langsam die Kelche und die dicken Hummeln, die hier die Hauptarbeit der schrumpfenden Bienenvölker übernommen haben, verkriechen sich in ihre Erdlöcher und Baumhöhlen.
Wir erreichen den Küstenwanderweg auf der anderen Seite der Halbinsel und stehen unvermittelt an einem der bekanntesten Fotomotive der Bretagne: dem Haus zwischen den Felsen. Ich weiß nicht, wer sich diesen Standort ausgesucht hat oder warum. Doch es ist möglich, dass er nicht genug Baumaterial hatte und sich die beiden Außenwände seines Hauses auf diese Weise gut sparen konnte. Um dieses Haus surren einige Touristen herum. Ein Parkplatz mit Toilette befindet sich hinter einer Düne und ist gut frequentiert. Wir laufen weiter. Der Nadelbaumbewuchs und das ablaufende Wasser sorgen für eine Geruchsmischung, die mir beide ganz sympathisch sind: Brackwasser und Waldbrandstufe 4. Schilder am Weg warnen davor, die mit runden Steinen belegten Wege zu verlassen, da unmittelbar am Wegesrand Wasservögel ihre Gelege verbuddelt haben.

Nach knapp fünf Stunden Wandern, genießen wir den restlichen Tag im seligen Nichtstun.
Abends radeln wir nochmal bis zur Kirche und ein kleines bisschen weiter, wo eine kleine Gaststätte unaufregende Pizzas bäckt und eines meiner Lieblingsdesserts anbietet. Leicht gatschigen Schokoladenkuchen mit Vanillesoße. Der Tag konnte kaum besser enden.