Von Schwedens Landleben oder dem, was ich davon sehe, sobald ich Stockholm mit dem Auto Richtung Norden verlasse, erwarte ich ein Menge Natur, weite Landschaften und Elche. Das erste was ich sehe, nachdem ich behaupten kann, dass selbst Stockholms Vororte hier nicht mehr hinreichen, ist ein riesiger Betonklotz mit kleinen Fenstern, der an der Autobahn steht. Sein Dach ist in der traditionellen Bauweise chinesischer Restaurants gedeckt, der Parkplatz mit einer Art stilisierten chinesischen Mauer gestaltet. Es ist ein Autobahnhotel, das sich ganz der chinesischen Kultur widmet – oder besser, dem, was wir Europäer als chinesische Kultur durchgehen lassen. Da ich mir nicht die Mühe mache, zu halten und zu erkunden, wie weit die Kostümierung mit ethnischen Einschlag in diesem ca. sechsstöckigen Gebäude geht, bleibt allerdings jede Meinungsbildung über den Laden spekulativ.
Die Straßen sind hier gut in Schuss und eine Reisegeschwindigkeit von 90 km/h völlig ausreichend, um zügig voranzukommen. Es gibt ein paar schneller Passagen, aber meist bleibt es bei 90 km/h. Ein Grund für die Geschwindigkeitsbeschränkung ist sicherlich, dass es auf den schwedischen Straßen trotz fast durchgängigen am Rand entlang führenden Zäunen, häufig zu Wildunfällen kommt. Rehe, Füchse, Dachse sind gern Opfer, aber vor allem Elche machen immer wieder den Autoverkehr unsicher. Ich passe auf, schaue nach rechts und links, doch Elche sehe ich keine.
Auf dem Weg zum Zwischenziel Bollnäs, der angeblich hässlichsten Stadt Schwedens, machen wir noch einen Abstecher ans Meer. Zumindest ist das der Plan. Wir überqueren ein breiten Fluss, biegen in eine kleinere Straße ein und wollen zu einem winzigen Ort namens Vallvik. Der liegt laut Karte auf einer Landspitze in der Ostsee. Ein Campingplatz ist eingezeichnet, muss also ein attraktiver Fleck sein. Zahlreiche Ikeamöbel sind nach dem Ort benannt. Ein Barhocker zum Beispiel und ein Bücherregal. Links der Straße ziehen sich abgeholzte Waldstreifen entlang. Eine Bahntrasse begleitet die Straße. Vereinzelt überhole ich Radfahrer mit dicken Packtaschen, die offensichtlich länger unterwegs sein wollen. Nach einigen Kilometern biegt die Straße und wir mit ihr nach rechts ab. An der Kreuzung lagert Holz, dann folgt eine Fabrik, die intensiv nach Käse riecht oder nach etwas extrem Saurem. Ich kann es nicht ganz einordnen, aber es ist ein unangenehmer Geruch, den wir noch einen halben Kilometer mitschleppen, bevor wir in den Ort Vallvik gelangen.

Hier folgen wir einem Schild, das den Weg zum Campingplatz ausweist. Doch kurz davor stehen wir an einem Fabrikgelände. Große Türme rauchen vor sich hin. Riesige siloartige Tonnen ragen in den Himmel. Dazwischen kann ich wage das Meer erkennen. Am Tor steht etwas über Sulphate. Es ist ein Standort der holzverarbeitenden Industrie des Großraums Söderhamn. Hier wird wohl hauptsächlich Papier hergestellt. Sulfate benutzt man, um die Cellulose aus dem Holz zu gewinnen. Ein schmales Waldstück trennt das Sulfat-Warnschild vom Campingplatz. Ich mache mir kaum die Mühe anzuhalten, ehe ich beschließe, dass man die Ostsee nicht an jedem Platz für sehenswert erachten muss. Wir fahren also wieder zurück, an der stinkenden Fabrik vorbei, an der Bahntrasse und an den Radfahrern, die sich glücklich Richtung Campingplatz strampeln. Dass sich hier kein Elch sehen lässt, kann ich den Tieren nicht verübeln.
Anzahl gesehener Elche: 0